Mittwoch, 31. Dezember 2014

Jahreswechsel

Heute ist der letzte Tag des Jahres. Es ist sehr viel geschehen im 2014 für mich. Vor einem Jahr konnte ich noch sprechen, zwar etwas verlangsamt, jedoch noch gut verständlich. Essen konnte ich auch noch alles.

Die Diagnose war noch nicht bestätigt und ich hoffte und glaubte immer noch, dass sich der Verdacht als Irrtum erweisen wird und für meine Beschwerden eine banale Erklärung gefunden.

Die Wander-, Flusskreuzfahrt im Mai in Südfrankreich, Im Sommer Wanderungen im Goms und dem Aletschgebiet, im September die Rundreise durch die Nationalpärke im Westen der USA mit einigen Tagen San Francisco und natürlich die Geburt unseres 3. Grosskindes, Lia, Ende Oktober - das waren die Höhepunkte des 2014.

Meine Beschwerden haben sich seit dem Frühjahr, zunächst langsam, dann in den letzten Wochen immer schneller, verschlechtert. Die Diagnose wurde im August bestätigt. Wut, Hilflosigkeit, Angst, Verzweiflung....

Ich hatte mir doch vorgestellt, eine fitte, gesunde,  Seniorin zu werden und hatte doch noch so viele Pläne! Peter und ich wollten zusammen älter werden und das Pensioniertsein geniessen.

Im Jahr 2015 stehen Entscheidungen an und Fragen wollen beantwortet werden, die mich herausfordern. z.B. Will ich mir eine Magensonde legen lassen? Wo sind meine Grenzen? Wieviel will und kann ich ertragen? Was bedeutet für mich Lebensqualität im Moment?

Die Frage der Endlichkeit ist mir bewusst und verwirrt mich im Moment noch sehr.

Morgen, 1. Januar 2015 fahren Peter und ich ins Goms und werden das neue Jahr dort mit der ganzen Familie beginnen. Patrick und Marco mit Familie sind schon dort. Was gibt es Schöneres als bei Sonne und Schnee das Jahr zu beginnen? - Ist es  das letzte Mal für mich? Ich weiss es nicht.

Ich lerne, jeden Tag für sich zu nehmen.





Donnerstag, 25. Dezember 2014

Weihnachtstage

Bald kommen Marco und Miriam mit Lars, Janis und Lia zu uns. Ich freue mich sehr, dass wir alle gemeinsam bei uns Weihnachten feiern können. Die Erwartung der Kinder, was sie wohl geschenkt erhalten,  deren strahlende Augen und die Freude an den Wunderkerzen, sind doch wunderbar.

In die Freude mischt sich die Wehmut und Trauer und die bange Frage: Ist das möglicherweise das letzte Weihnachtsfest, das ich mit meiner Familie verbringen kann?

Es ist alles etwas anders dieses Jahr:

Die Verantwortung für die Organisation und das Kochen abgeben können/müssen fällt mir schwerer, als ich gedacht habe. Dabei weiss ich, dass meine Familie, das Essen etc. genau so gut hinkriegt.

Dörrbohnen püriert, Kartoffeln püriert, Lachs püriert......ist halt schon nicht dasselbe! Wenigstens schmeckt es nach Bohnen, und Lachs und Kartoffeln.

Es ist das erste Mal, dass ich an Weihnachten nichts vorlesen kann. Das hab ich so gern gemacht.

Es ist ja auch schön, dass ich dieses Jahr einfach da sein darf, den Moment geniessen, das Zusammensein mit der Familie, den Enkeln,  mich verwöhnen lassen.











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Samstag, 20. Dezember 2014

Geduld fehlt noch

Heute habe ich mehr gesprochen, resp. dies versucht, als in den letzten Tagen. Das Sprechen ist sehr anstrengend und ermüdend. Ich bin ganz erschöpft. Dazu kommt noch eine Erkältung. Patrick ist zurück nach einigen Monaten in den USA und es gäbe so vieles zu erzählen und zu fragen nach dieser Zeit.

Ich fühle mich schon sehr eingeschränkt, wenn ich doch weiss, wie gerne ich all dies, was ich wissen möchte, mitteilen möchte nur im kleinen Mass machen kann.

Die Rolle der reinen Zuhörerin entspricht mir nicht.

Mithilfe des Tablets zu kommunizieren, ist noch sehr gewöhnungsbedürftig und ich bin dabei nicht die Geduldigste mit mir. Immerhin greife ich, um nicht zu viel Energie zu verbrauchen, schneller zum Tablet als noch vor kurzem. Ja, und Übung macht bekanntlich die Meisterin. Ich hoffe, es wird für mich mit der Zeit  "normaler" werden, mich mit dem elektronischen Hilfsmittel auszudrücken.

Mittwoch, 17. Dezember 2014

Essen

Ich war heute wieder in der Ernährungsberatung. Resultat: Ich sollte einerseits noch etwas an Gewicht zunehmen und die Ernährung mehrheitlich auf pürierte Kost umstellen.

Das zweite löst bei mir noch grossen Widerstand aus. Wieder etwas aufgeben müssen schmerzt. Für mich war essen immer mehr als reine Ernährung. Ein feines Essen, ein gutes Glas Wein - welch ein Genuss.

Mein Kopf weiss ja, dass es Sinn macht, mich mit möglichst wenig Energieverbrauch zu ernähren. Und solange ich körperlich noch so fit bin wie jetzt, will ich diesen guten Allgemeinzustand nicht schwächen mit Gewichtsverlust und Mangelernährung. So weit klar.

Doch.......... gefühlmässig sehr schwierig.

Zum Glück sieht Peter auch die lustigen und kreativen Seiten vom Menu puré. Probieren wir es aus mit Humor und Neugier und neuen Ideen. Wenn es mir Erleichterung bringt und auch ein wenig Genuss, umso besser.

Dafür darf ich Desserts und Rahm etc. essen soviel ich mag. Hat auch seinen Reiz.



Sonntag, 14. Dezember 2014

3. Advent

Heute Geburtstagszvieri von unserem Enkel Janis. Auch bereits sein 5. Geburtstag. Ein schöner Nachmittag mit der Familie.

Gefühlsmässig bin ich hin- und hergerissen. Ich geniesse das Zusammensein sehr und fühle mich wohl und aufgehoben. Es fehlt mir jedoch sehr, mit den Enkeln nicht mehr sprechen zu können, keine Büchlein und Geschichten vorlesen zu können wie noch vor einem Jahr.  Das macht mich wirklich traurig.

Beides ist da: Freude und Zufriedenheit über zusammen verbrachte Zeit und die Trauer über das, was nicht mehr möglich ist.





Freitag, 12. Dezember 2014

Mein neues Tablet

Mein Sprechen wird leider immer unverständlicher für andere und für mich immer anstrengender. Das "Sprachlos-Sein" ist sehr schwierig zu ertragen. So oft möchte ich spontan mich äussern. Im Kopf ist es bereit, jedoch kommt es unverständliches raus. Es bleibt so vieles ungesagt: Wichtiges, Banales, Interessantes, Lustiges, was eben die alltägliche gesprochene Kommunikation ausmacht. Vor allem auch in der Beziehung. Wir müssen uns beide an die neue Situation gewöhnen, die so nichts mehr gemeinsam mehr hat mit der Verständigung der letzten 40 Jahre.

Ich entwickle auf der andern Seite auch eine gewisse Gelassenheit, dass gar nicht alles gesagt werden muss. Ich kann eher als früher etwas stehen lassen, ohne meinen Kommentar oder meine Kritik. Ein gewaltiger Lernprozess für mich.

Vorgestern habe ich nun mein schönes, neues grosses Tablet (ein handelsübliches Samsung, 12,2 Zoll) erhalten und selbst eingerichtet! Ich war ganz stolz, dass ich dies alleine geschafft habe! Nun habe ich das App "Spracheassistent" auf dem Handy, dem kleinen Tablet und dem grossen. Technisch bin ich also für sämtliche Situationen ausgerüstet.

Das schöne grosse Tablet ist ein modernes "Spielzeug" mit all seinen Möglichkeiten. Da ich schon immer gerne gespielt habe, befriedigt das Einrichten und Ausprobieren voll auch meinen Spieltrieb. Die Herausforderung tut mir gut und ist auch mit viel Spass verbunden. Natürlich habe ich auch einige Apps von Spielen geladen. Die sind wunderbar zu spielen auf dem grossen Display.

Das Schreiben und somit mein Sprechen geht mit diesem grossen Tablet schon viel schneller als mit den kleineren Geräten. Ich muss mich nun daran gewöhnen, mich auf diese Art auszudrücken, wenn ich teilhaben will, mich austauschen will.

Gelingt mir das wohl? Oder kommt mir meine Ungeduld in den Weg? Der Frust und die Hilflosigkeit, nicht spontan sprechen zu können? Ich weiss es nicht. Ein Gerät kann nie das ersetzten, was ich verloren habe; es bietet mir jedoch Möglichkeiten, dabei zu sein. Ein Stück Lebensqualität.

Die ersten Schritte sind getan und ich habe selbst entschieden, was ich im Moment als passend für mich anschaue und wie ich vorgehen will. Das ist eine gute Voraussetzung.





Montag, 8. Dezember 2014

Kommunikationsmittel

Heute einen ausgedehnten Spaziergang gemacht im wunderbar, frisch verschneiten Obergoms. Fühlte mich so richtig wohl und zufrieden.

Wie kann ich mich, mit technischer Unterstützung, am besten einbringen und ausdrücken? Eine sehr schwierige Auseinandersetzung  für mich. Ein innerer Widerstand. Ich will doch spontan reden und nicht mit einer Computerstimme!!! Ich komme jedoch nicht darum herum, mich dieser Frage und Herausforderung zu stellen. Entweder knie ich mich rein, oder die Frustration wird immer grösser.

Ich brauche sehr viel Energie zu sprechen und der Frust, nicht verstanden zu werden, obwohl ich mir doch so Mühe gebe, ist jeweils gross. Es ist manchmal auch sehr lustig und wir lachen viel, wenn Peter etwas ganz anderes versteht.

Wir haben in diesen Tagen uns im Internet kundig gemacht über unterstützende Hilfsmittel, die meiner jetzigen Situation entsprechen. Im Moment benütze ich auf meinem Smartphone und einem kleineren Tablet eine App; doch das Schreiben auf dem Handy ist nicht so bequem und für ganze Sätze und mehr zu klein. Zum Mitnehmen ist das OK.

Ich bin zum Resultat gekommen, dass ein handelsübliches, möglichst grosses Tablet, wo ich relativ schnell schreiben kann, da die Tastatur doch etwas handlicher ist, das Richtige ist im Moment und zwar mit der App, die ich bereits auf dem Handy haben, dem "Sprache Assistent". Ich erhoffe mir so, dass ich so spontaner "sprechen" kann,

Es ist ein grosser Schritt, mir zuzugestehen, dass ich mir die Hilfe gebe. Auch eine grosse Umstellung im Denken, dass es OK ist, mich mittels eines technischen Hilfsmittels auszudrücken zu lernen. Ein  weiterer wichtiger Schritt im Annehmen von dem, was jetzt ist.

Auf alle Fälle finden meine Enkel die App, welches Text in Sprache umsetzt lustig und ist es auch, vor allem mit Schweizerdeutsch. Es hat auch eine spielerische Seite.

Und, zum Glück haben wir heute die vielen technischen Möglichkeiten.







Samstag, 6. Dezember 2014

Wir sind übers Wochenende im Wallis. Ein wenig Ruhe vom Alltag, den Therapien. Leider ist der schöne Schnee, den wir anfangs November hier im Goms hatten, fast weg. Doch die Bergluft, der Tapetenwechsel tut mir gut.

Man hört immer wieder, man solle noch die Zeit, jeden Tag, geniessen, die einem noch verbleibt.

Es ist so beides da bei mir. Ich geniesse den Spaziergang in der kühlen Winterluft, atme durch, freue mich an der Bewegung, erfreue mich an der Landschaft. Auf der andern Seite ist immer die Wehmut dabei. Ist es der letzte Winter, den ich erleben darf? Die Trauer des Abschiednehmens ist bei allem Schönen dabei. Genuss und Wehmut gehören bei mir zusammen momentan.

Ich geniesse Zeit für mich. Vor allem mit Lesen. Da kann ich meine Situation vergessen wie eh und je. Beim Lesen vertiefe ich mich in die Geschichte, ins Thema und bin in einer andern Welt. Das ist schon so, seit ich lesen gelernt habe als kleines Mädchen.

Beim Lesen fühle ich mich auch "gesund", da ich ja die Rachen- und Mundmuskulatur nicht brauchen muss und so auch nicht an die Krankheit erinnert werde.

So werde ich heute Abend mich mit meinem Buch, resp. dem E-Reader zurückziehen und freue mich morgen auf einen längern Spaziergang an der frischen Luft.

Donnerstag, 4. Dezember 2014

Wieso ein Blog

Wenn mir jemand vor einigen Monaten gesagt hätte, dass ich mal bloggen werde, hätte ich das weit von mir gewiesen. Wieso auch, was auch. Ich habe und will doch nichts öffentlich sagen über mich. Und jetzt ist alles anders.

Diagnose "unheilbar."

Vor rund einem Jahr bekam ich Probleme beim Schlucken und Sprechen. Noch kein Gedanke daran, dass dies von einer unheilbaren, neuro-degenerativen Krankheit herrühren könnte. Doch die Symptome verschlechterten sich langsam aber sicher. Bulbärparalyse allein oder als Teil von ALS ist die Diagnose, gestellt vor einigen Monaten, die mein Leben und das meine Partners auf den Kopf gestellt hat.

Was ist für eine Krankheit? Was wird mit mir geschehen? Verdrängung, Hoffnung, Trauer und Wut!

Sich befassen mit ganz anderen Fragen und Herausforderungen. Wir haben doch Pläne gemacht für das Pensionierten-Dasein! Seit zwei Monaten erhalte ich die AHV - wie lange kann ich sie nutzen?
Was können wir noch umsetzen?

Seit einigen Wochen ist das Sprechen so sehr eingeschränkt, dass ich kein spontanes Gespräch mehr führen kann. Körperlich bin ich sonst noch "fit".  Nicht mehr sprechen können, mich ausdrücken können, das ist für mich sehr sehr schwierig und bedeutet eine Herausforderung, die mich im Moment noch überfordert.

Sprechen, kommunizieren war und ist für mich unglaublich wichtig. Es war mein Beruf. Psychologische Beraterin, Supervisorin, Coach, Laufbahnberaterin, Erwachsenenberaterin - alles Sprache und Kommunikation. Ich leitete Kommunikationskurse etc.

Und nun keine gesprochene Sprache mehr - wie gehe ich damit um? Wie halte ich dies aus? Was mache ich mit all dem Vielen, das ich nicht mehr ausdrücken kann mündlich - die Diskussionen, das Erarbeiten von Lösungen im Gespräch, das Interpretieren von Zeitungsartikeln, das Politisieren, alles, was mich interessiert? Wie soll das gehen?

Und der Umgang mit meiner Krankheit, was die mit mir, in mir macht? Ich will mich mitteilen können, austauschen. Der Kopf ist ja intakt und braucht genau so noch Herausforderungen wie eh und je.

Deshalb werde ich bloggen. Eine Möglichkeit, mich auszudrücken, meine Gedanken und Gefühle, mein Alltag mit einer schnell voranschreitenden, unheilbaren Krankheit.

Ich will mir nicht so etwas für mich Wichtiges nehmen lassen, wie die Sprache. Ich will die Herausforderungen annehmen, mich einlassen und auseinandersetzen . Wie und ob es mir gelingt, weiss ich nicht. Jedoch wagen will ich es.